Handlungspsychologie (2011)
ISBN
978-3-642-12857-8

Inhalt

Kapitel 1: Einleitung und Übersicht

Kapitel 2: Neurobiologische Grundlagen der Planung und Ausführung von Bewegungen

Kapitel 3: Intention und Handlungsziel

Kapitel 4: Wahrnehmung und Handlung

Kapitel 5: Auswahl einer Handlung

Kapitel 6: Planung einer Handlung

Kapitel 7: Planung von Handlungssequenzen

Kapitel 8: Kontrolle und Koordination multipler Handlungen

Kapitel 9: Handlungsfehler und Handlungsüberwachung

Kapitel 1: Einleitung und Übersicht

Inhalt

  • 1.1 Handeln und Bewegen als Thema psychologischer Forschung
  • 1.2 Defizite in Theorie und Forschung
  • 1.3 Organisierendes Arbeitsmodell

Lernziele

  • Welchen Forschungstraditionen entstammen Untersuchungen zur Kontrolle und Planung menschlichen Handelns?
  • Welches sind die Vor- und Nachteile der mit diesen Forschungstraditionen verbundenen theoretischen Perspektiven?
  • Welche Beziehung besteht zwischen Wahrnehmen und Handeln?

Worum geht's?

Das Thema Handlung und Bewegung hat die Psychologie lange begleitet, ohne jedoch als psychologisches Kerngebiet zu gelten. So wurden in der Kognitionspsychologie zwar Themen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken erforscht, ohne dabei zu berücksichtigen, aus welchem Grund und für welchen Zweck (d.h. zur Steuerung welcher Handlungen) diese Prozesse eingesetzt werden. Natürlich hat es immer wieder Ansätze gegeben, den Kreis von der Wahrnehmung zur Handlung und zurück zu schließen (z. B. Lotzes (1852) Überlegungen zur exekutiven Ignoranz), eine interdisziplinäre Integration der Konzepte aus verschiedenen Forschungsfeldern und Teildisziplinen blieb allerdings aus. Außerdem sorgten auch die Forschungstraditionen für einen eher engen, künstlichen Blick auf die Handlungssteuerung. Allerdings befindet sich die psychologische Handlungsforschung im Umbruch - ein umfassendes Arbeitsmodell wird in diesem Kapitel vorgestellt.

Kapitel 2: Neurobiologische Grundlagen der Planung und Ausführung von Bewegungen

Inhalt

  • 2.1 Neuronale Kommunikation
  • 2.2 Primär-motorischer Kortex und lateraler prämotorischer Kortex (BA4/6)
  • 2.3 Supplementär-motorisches Areal (BA6 medial)
  • 2.4 Kleinhirn
  • 2.5 Basalganglien
  • 2.6 Präfrontaler Kortex

Lernziele

  • Wie funktioniert die neuronale Kommunikation im menschlichen Kortex?
  • Welche kortikalen und subkortikalen Strukturen sind an der Planung menschlicher Handlungen beteiligt? Welche Rollen spielen sie?
  • Welche kortikalen und subkortikalen Strukturen sind an der Ausführung von Bewegungen beteiligt?

Worum geht's?

Die Geschichte von Phineas Gage gilt als einer der bekanntesten Fälle in der (Neuro-)Psychologie. Gage verlegte Mitte des 19. Jahrhunderts Eisenbahnschienen in den Vereinigten Staaten. Bei einem Unfall wurde sein frontaler Kortex von einem Meißel durchbohrt: Gage überlebte, seine Kollegen stellten jedoch starke (unvorteilhafte) Persönlichkeitsveränderungen fest. Die Analyse des Falls und v.a. des Schädels von Phineas Gage führte zu erheblichen Fortschritten unseres Verständnisses der Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen Gehirn, kognitiven Prozessen und Handlungssteuerung.

Am Beispiel von Phineas Gage konnte anschaulich gezeigt werden, dass sich die wesentlichen Leistungen kognitiver Funktionen, z. B. die Handlungsplanung und -kontrolle, oft erst dann richtig verstehen lassen, wenn sie abhanden gekommen sind. So gehen mit spezifischen, umschriebenen Läsionen des Gehirns oft spezifische Defizite einher und liefern somit erste Hinweise auf die Rolle verschiedene Hirnregionen. Neben Patienten mit Schädigungen im Gehirn wird aber auch auf Ergebnisse aus physiologischen Tierversuchen und Studien mit bildgebenden Verfahren zurückgegriffen.

Auch wenn die Kartierung und das Verständnis der neuronalen Basis von Prozessen der Handlungsplanung und -kontrolle weitaus weniger detailliert ist als beispielsweise die des visuellen Kortex, zeichnet sich ab, dass die gelingende Planung, Initiierung und Ausführung von Handlungen eine intakte Funktionsschleife in zwischen verschiedenen Bereichen des Kortex voraussetzt und viele Areale spezifische Beiträge für die Handlungskontrolle liefern. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Leistung bestimmter Gehirnareale nur im Zusammenhang (Funktionsschleife) betrachtet werden kann. So weist das Kapitel auf Eigenschaften der neuronalen Informationsverarbeitung hin, die unmittelbare Konsequenzen für ein psychologisches Verständnis der Handlungskontrolle haben. Außerdem werden die wesentlichen Funktionen der für die Handlungskontrolle bedeutsamen neuroanatomischen Strukturen kurz behandelt.

Kapitel 3: Intention und Handlungsziel

Inhalt

  • 3.1 Funktion von Handlungszielen
  • 3.2 Repräsentation von Handlungszielen
  • 3.3 Erwerb von Handlungszielen
  • 3.4 Intraindividuelle Dynamik und interindividuelle Unterschiede

Lernziele

  • Warum haben wir überhaupt Handlungsziele und wofür sind sie gut?
  • Auf welche Weise steuern Handlungsziele unser Handeln?
  • Sind Handlungsziele sensorisch oder verbal repräsentiert?
  • Sind wir uns unserer Handlungsintentionen immer bewusst?
  • Wo kommen Intentionen eigentlich her?
  • Welchen Einfluss haben intra- und interindividuelle Unterschiede auf die Repräsentation von Zielen?

Worum geht's?

Wie binden Sie sich eigentlich Ihre Schnürsenkel zu? Die wenigsten Menschen können darauf eine vernünftige Antwort geben, ohne sich tatsächlich die Schnürsenkel zu binden oder sich den Bindevorgang vorzustellen und darüber zu berichten. Das zeigt: Wir wissen erstaunlich wenig über unsere eigenen Handlungen und dennoch sind wir in der Lage, zielgerichtete, intentionale Handlungen auszuführen. Das vorliegende Kapitel macht einen Versuch, dieses Mysterium aufzulösen: Es erklärt, was man unter einer Handlung versteht und geht auf ablaufende Prozesse ein.

Kapitel 4: Wahrnehmung und Handlung

Inhalt

  • 4.1 Dissoziationen von Wahrnehmung und Handlung
  • 4.2 Interaktionen von Wahrnehmung und Handlung
  • 4.3 Integration von Wahrnehmung und Handlung

Lernziele

  • Was ist die Beziehung zwischen Wahrnehmung und Handlung?
  • Beruht Wahrnehmen und Handeln auf der Verarbeitung derselben Information?
  • Welchen Einfluss hat die Wahrnehmung auf die Handlung?
  • Welchen Einfluss hat die Handlung auf die Wahrnehmung?
  • Wie lässt sich die Interaktion zwischen Wahrnehmung und Handlung theoretisch erklären?

Worum geht's?

Zum größten Teil erschaffen wir selbst unsere Wahrnehmungswelt selbst: Nicht in dem Sinne, dass wir Dinge sehen, die es nicht gibt. Wohl aber in dem Sinne, dass wir selbst es sind, die sich bestimmten Reizen aussetzen. Etwas wahrzunehmen, bedeutet dabei nicht, etwas passiv zu rezipieren und einem Reizstrom ausgesetzt zu sein, sondern eine bestimmte Information über ein Ereignis aktiv aufgesucht und damit die Wahrnehmung selbstständig hergestellt zu haben (z. B. den Fernseher einschalten). Die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung aus diesem Kapitel lautet - vorweggenommen: Wahrnehmen ist immer auch Handeln und Handeln erzeugt immer auch Wahrnehmung.
Die Geschichte der Wahrnehmungspsychologie hat sich über die sequenziellen Stufenmodelle der Informationsverarbeitung weiterentwickelt. So zeigt das vorliegende Kapitel, dass zahlreiche wahrnehmungs- und handlungsbezogene Prozesse gleichzeitig stattfinden und Umweltinformation parallel von zahlreichen spezialisierten Modulen verarbeitet und weitergeleitet wird. Außerdem verdeutlicht es, dass es die Wahrnehmung und die Handlungsplanung eigentlich nicht gibt, da Wahrnehmung und Handlung manchmal verschieden auf dieselbe Anforderung reagieren (→ Abschn. 4.1). Abschnitt 4.2 zeigt, dass auch die Auffassung von Wahrnehmung und Handlung als unabhängige Verarbeitungsstufen anzweifelbar ist, während sich der letzte Abschnitt mit der Integration der verschiedenen Ansätze befasst.

Kapitel 5: Auswahl einer Handlung

Inhalt

  • 5.1 Zielinduzierte Handlungs­auswahl
  • 5.2 Regelgeleitete Handlungs­auswahl
  • 5.3 Automatische Auswahl von Handlungen
  • 5.4 Intuitive Auswahl von Handlungen

Lernziele

  • Wie nehmen Handlungsziele Einfluss auf unsere Entscheidungen?
  • Welche Rolle spielen Regeln bei der Auswahl von Handlungen? Wann und unter welchen Umständen kommen sie zum Einsatz?
  • In welchem Sinne kann die Auswahl einer Handlung automatisch sein?
  • Mithilfe welcher Mechanismen können wir intuitive Entscheidungen fällen?

Worum geht's?

Entscheidungen zu treffen fällt oftmals nicht leicht. So stellt sich die Frage, ob es nicht möglich wäre, die oft quälenden Abwägungen zu überspringen und die Entscheidung an einen Würfel zu delegieren? Warum das Entscheiden so schwierig und quälend ist, und warum das Angesicht der Beschaffenheit unseres kognitiven Systems auch so sein muss, ist das Thema dieses Kapitels.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Tagtäglich, stündlich und minütlich stehen uns im Normalfall so viele Handlungsalternativen offen, dass es manchem schwer fallt, sich für eine zu entscheiden. Wie wählen wir Handlungen aus? Wie stellen wir sicher, dass sie unseren Handlungszielen dienen?

Von Nuancen abgesehen, lassen sich wenigstens zwei Perspektiven ausmachen:

  • sensomotorische Ansätze, die sich v.a. mit der reizinduzierten Auswahl von reaktiven Handlungen beschäftigen, und
  • ideomotorische Ansätze, denen es mehr um die Frage geht, wie das Handlungsziel die Auswahl einer Handlung ermöglicht und steuert.

Auch hier werden wir sehen, dass sich die beiden Perspektiven keineswegs ausschließen, sondern dass sie lediglich unterschiedliche Facetten in der Handlungssteuerung hervorheben und sich mit verschiedenen Phasen der Handlungsauswahl beschäftigen. In unserer Darstellung folgen wir hauptsächlich den Vorschlägen von Fitts (1965) und Rasmussen (1980) (→ Abschn. 9.1), die drei verschiedene Modi der Handlungssteuerungunterscheiden:

  • den kognitiven (Fitts) bzw. wissensbasierten (Rasmussen) Modus (→ Abschn. 5.1 Zielinduzierte Handlungsauswahl)
  • den assoziativen bzw. regelbasierten Modus (→ Abschn. 5.2 Regelgeleitete Handlungsauswahl)
  • den autonomen bzw. fertigkeitsbasierten Modus (→ Abschn. 5.3 Automatische Handlungsauswahl)

Auch wenn diese drei Selektionsmodi zweifellos einen großen Teil unserer alltäglichen Handlungsentscheidungen abdecken, fehlt ein weiterer Modus: Intuitives Entscheiden aus dem Bauch heraus. Dies ist Thema des letzten Abschnitts 5.4 dieses Kapitels zur intuitiven Handlungsauswahl.

Kapitel 6: Planung einer Handlung

Inhalt

  • 6.1 Funktion von Handlungsplänen
  • 6.2 Struktur von Handlungsplänen
  • 6.3 Programmierung einer Handlung
  • 6.4 Integration von Handlungsmerkmalen

Lernziele

  • Woher wissen wir, dass Handlungen im Vorhinein geplant werden?
  • Woraus bestehen Handlungspläne? Welches sind ihre Elemente?
  • Werden alle Aspekte von Handlungen im Voraus geplant?
  • Wie werden die Elemente eines Handlungsplans zusammengefügt?

Worum geht's?

Ja, mach nur einen Plan 
Sei nur ein großes Licht! 
Und mach dann noch 'nen zweiten Plan 
Geh'n tun sie beide nicht. 
Denn für dieses Leben 
Ist der Mensch nicht schlecht genug. 
Doch sein höh'res Streben 
Ist ein schöner Zug. 

—Berthold Brecht, Dreigroschenoper

Diese Perspektive von Berthold Brecht mit Bezug auf den Nutzen und Wert von Handlungsplänen trifft zwar für einige Lebensbereiche zu, gilt aber bei weitem nicht für alle Alltagshandlungen. So wären viele Handlungen ohne Handlungspläne nicht möglich, beispielsweise das betonte Sprechen im Gegensatz zu Sprachcomputern oder sportliche Leistungen mit schneller Handlungsabfolge. Keine Bange also: Mach nur einen Plan!

Kognitive Prozessmodelle der menschlichen Informationsverarbeitung sind traditionell ziemlich unkonkret in Bezug auf die Planung und Ausführung von Handlungen. Oft scheint es, als ende die eigentliche kognitive Arbeit mit der Auswahl einer Handlung, während der Rest mehr oder weniger »Physiologie« ist. Die bisherige Darstellung in diesem Buch blieb ähnlich unkonkret. Es wurde festgestellt, dass Handlungen durch Kodes ihrer sensorischen Effekte repräsentiert sind und dass diese Kodes mit motorischen Mustern assoziiert sind, die diese Effekte realisieren. Das vorliegende Kapitel widmet sich nun der Frage, wie diese motorischen Muster aussehen und wie diese zur Handlungssteuerung eingesetzt werden.

Kapitel 7: Planung von Handlungssequenzen

Inhalt

  • 7.1 Programmierung von Handlungssequenzen
  • 7.2 Sequenzierung von Handlungselementen
  • 7.3 Planung langer und geübter Handlungssequenzen

Lernziele

  • Inwiefern und unter welchen Umständen werden längere Handlungssequenzen im Voraus geplant?
  • Welche Verarbeitungsmechanismen sind für die Sequenzierung von Handlungselementen verantwortlich?
  • Welchen Einfluss haben Lernen und Übung auf die Planung längerer Handlungssequenzen?

Worum geht's?

Hallo! 
Hallo Sie! 
Wollen Sie ein berühmter Stilm-Far werden? 
In Wollyhood arbeiten? 
Im heißen Wai mitspielen? 
Oder sogar in ruzück in die Kuzunft? 
Wollen sie eine Rauptholle gewinnen? 
Nein! Dann werde ich nervös und bekomm Fampenlieber! 
Ich löchte mösen! 
Aha aha! Aber ich habe doch die Strage noch gar 
nicht gefellt! 
Na und! Wo reibt das Blätsel? 
Mh, mh, mh immer rit der Muh! Also wie heißt das 
berühmte Zitat aus dem warz-schweiss Film Blasa- 
Canca? 
Blasa-Canca, Blasa-Canca - das ist doch luper seicht! 
Ich klau dir in die Augen Scheines! - Richtig! Glückwunsch! 
Sie haben gewonnen - und - werden sie 
ihre erste Kinofolle reiern? 

Dieser Ausschnitt stammt aus der am 11.01.1997 ausgesendeten Episode »Wollen Sie ein berühmter Stilm Far werden?« aus der Sendung RTL Samstag Nacht. Die Komik des Textes resultiert aus der Technik des Schüttelreims: der systematischen Vertauschung von Buchstaben oder Silben innerhalb eines Wortes, oder auch zwischen verschiedenen Worten desselben Satzes. Zum Teil werden dadurch Wörter kreiert, die selbst eine Bedeutung haben, die jedoch im momentanen semantischen Zusammenhang eigentlich irreführend ist. Und diese Widersprüche machen den Text lustig, wobei derlei Vertauschungen auch im Alltag hin und wieder zu finden sind.

Die Dialektik dieses Phänomens ist wissenschaftlich besonders interessant: Einerseits erkennen wir sofort, dass hier etwas nicht stimmt, aber andererseits erkennen wir gleichzeitig, wie die Äußerung eigentlich hätte lauten sollen. Der Grund liegt darin, dass alle nötigen Elemente der korrekten Äußerung (Buchstaben, Silben, Wörter) vorhanden sind, dass die Reihenfolge aber nicht stimmt. Dies wiederum ist ein Hinweis darauf, dass die Sequenzierung von Elementen eine besondere kognitive Leistung darstellt, die zu einem gewissen Teil unabhängig von den Elementen operiert. Wie dies funktionieren könnte, wird in diesem Kapitel besprochen.

Experimentelle Untersuchungen zur Steuerung von Handlungen verwenden nicht selten sehr einfache Bewegungen (z. B. den Druck auf eine Taste). Die Gründe dafür liegen nahe: Einfache Bewegungen lassen sich schnell ausführen und auf einfache, kostengünstige Weise messen, was auch weniger üppig ausgestatteten Laboren ein hohes Maß an experimenteller Kontrolle erlaubt. Aus theoretischer Sicht sollte diese Vereinfachung nichts ausmachen (denn auch der Druck auf eine Taste einer Computertastatur stellt ja eine intentionale, zielgerichtete Handlung dar, und doch muss man fragen, ob die mit derartigen Handlungen gewonnenen Einsichten auch auf alltägliche Handlungen zutreffen.

Ein wesentliches Merkmal vieler Alltagshandlungen besteht in ihrer deutlich höheren Komplexität. So erstellen wir am Computer ganze Texte, statt nur einzelne Tasten zu drücken und ergreifen Gegenstände i.d.R. im Kontext einer ganzen Handlungssequenz (z. B. bei der Zubereitung einer Tasse Tee). Die in Experimenten oft verwendeten einfachen Bewegungen sind im Alltag also Elemente ganzer Bewegungsketten und sind sozusagen die Bausteine des Handelns. Wie werden diese Bausteine in umfassendere Handlungszusammenhänge integriert? Im vorliegenden Kapitel wird erörtert, wie Handlungselemente zu umfassenderen Handlungsplänen zusammengefasst werden (→ Abschn. 7.1) und die Komponenten in die richtige Reihenfolge gebracht und ausgeführt werden (→ Abschn. 7.2). Abschließend steht die Diskussion, ob bzw. inwiefern sich die Handlungsplanung durch Übung verändert (→ Abschn. 7.3).

Kapitel 8: Kontrolle und Koordination multipler Handlungen

Inhalt

  • 8.1 Aufgabenwechsel
  • 8.2 Multitasking

Lernziele

  • Wie kann man empirisch feststellen, ob bzw. inwiefern der Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben kognitive Kosten verursacht?
  • Welche kognitiven Kosten entstehen beim Wechsel zwischen zwei oder mehreren Aufgaben?
  • Welche Faktoren tragen zu den Wechselkosten bei? Auf welche Weise tun sie das?
  • Wie kann man empirisch feststellen, ob die Kombination verschiedener Aufgaben zusätzliche kognitive Kosten verursacht?
  • Wie kann man feststellen, durch welche kognitiven Prozesse diese Kosten verursacht werden?
  • Welche kognitiven Prozesse verursachen Verarbeitungsengpässe beim Multitasking?
  • Was ist der Unterschied zwischen strukturellen und funktionalen Verarbeitungsengpässen?

Worum geht's?

Immer mehr Arbeitstätigkeiten erfordern die zeitlich überlappende Bearbeitung mehrerer Aufgaben, und die Medien sind voll von Spekulationen über mögliche Grenzen der Belastung und z.B. mögliche Geschlechterunterschiede bei Multitasking-Fähigkeiten. Auch wenn derlei Überzeugungen mehr mit den vorherrschenden Stereotypen über geschlechtliche Rollenverteilungen zu tun haben als mit seriöser wissenschaftlicher Forschung, so ist die allgemeine Frage nach den Folgen des unaufhaltsamen Einzugs des Multitasking in unser alltägliches Leben sicher berechtigt. Wie lassen sich solche Aspekte untersuchen und vor allem: Lassen sich die Ergebnisse aus dem Labor auf die Wirklichkeit übertragen? Die Übersetzung der Ergebnisse in die Wirklichkeit ist immer schwierig, dennoch wird deutlich: Jeder Wechsel zwischen mehreren Aufgaben und jede Mehrfachbelastung kostet kognitive Kapazität, aber auch mögliche affektive und motivationale Konsequenzen sind zu bedenken. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob die optimale Leistung bei voller Konzentration immer erforderlich ist und wie beispielsweise der persönliche Lebensstil darauf Einfluss nimmt.

Handlungen, die in der experimentellen Psychologie untersucht werden, sind häufig sehr viel einfacher als in der Realität (→ Kap. 7) und unterliegen damit einer höheren experimentellen Kontrolle. Allerdings stellt sich immer die Frage der Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse auf die Wirklichkeit. Alltagshandlungen sind oft komplex und bestehen aus mehreren Elementen, deren Abfolge organisiert werden muss. Weitere Unterschiede bestehen darin, dass reale Handlungen selten mehrfach wiederholt werden, wie im Experiment üblich. Stattdessen wechseln wir häufig zwischen verschiedenen unterschiedlich komplexen Handlungen (z. B. beim Kochen). Es stellt sich die Frage, wie Menschen zwischen verschiedenen Handlungen hin und her schalten können (→ Abschn. 8.1). 
Ein anderer Unterschied zu vielen Laborexperimenten besteht darin, dass im Alltag oft mehrere Handlungen gleichzeitig ausführt werden. Ist dies überhaupt möglich oder schalten wir einfach sehr schnell zwischen verschiedenen Handlungen hin und her? Und wieso sind manche Handlungen wesentlich einfacher miteinander zu kombinieren sind als andere (z. B. Singen während Fahrradfahrens vs. Vokabelnlernen und Fernsehen)? Welche kognitiven Prozesse sind dafür verantwortlich? (→ Abschn. 8.2).

Kapitel 9: Handlungsfehler und Handlungsüberwachung

Inhalt

  • 9.1 Handlungsfehler
  • 9.2 Handlungsüberwachung und Fehlerregistrierung
  • 9.3 Handlungsregulation und Fehlervermeidung
  • 9.4 Fehlerbasiertes Lernen

Lernziele

  • Was für Arten von Handlungsfehlern kann man unterscheiden? Wie kann man sie erklären?
  • Gibt es Hinweise auf die kontinuierliche Überwachung von Handlungen hinsichtlich möglicher Fehler?
  • Welche Mechanismen liegen der Handlungsüberwachung zugrunde?
  • Auf welche Weise bemüht sich das kognitive System, Fehler zu vermeiden?
  • Auf welche Weise lernen wir aus unseren Handlungsfehlern?

Worum geht's?

Bislang haben wir uns mit der Planung und Ausführung situativ angemessener, erfolgreicher Handlungen beschäftigt. Aber manchmal gehen Handlungen auch schief. So sind Fehler im Alltag präsent und kommen wesentlich häufiger vor als gedacht. Ein Beispiel: Im Operationssaal eines durchschnittlichen Krankenhauses unterlaufen den Angestellten pro Tag mehrere Dutzend Fehler (wer viel tut, macht viele Fehler), dennoch funktioniert unser Gesundheitssystem relativ gut. Das hat aber nichts damit zu tun, dass Fehler vollständig vermeiden können, auch wenn viele Sicherheitsvorkehrungen deren Ausmaß dramatisch vermindern helfen. Vielmehr liegt dies daran, dass die beteiligten Personen (in der Regel) ein hohes Maß an Expertise im Fehlermanagement haben, also im Reagieren auf aufgetretene Fehler und im Beschränken des Schadens, den sie anrichten. Eine erfolgreiche Schadensbegrenzung setzt wiederum voraus, dass Fehler zuverlässig und frühzeitig erkannt werden. 
Um die Mechanismen, die das ermöglichen, geht es in diesem Kapitel. Neben der Frage, wie Handlungsfehler eigentlich entstehen, werden ein paar Überlegungen aus der Fehlerforschung (→ Abschn. 9.1) aufgegriffen. Außerdem wird der Frage nachgegangen, warum wir nicht viel häufiger Fehler begehen: Wenn wir gelungenes Handeln als das erfolgreiche Vermeiden von Fehlern interpretieren, dann befördert ein besseres Verständnis der Ursachen von Fehlern notwendigerweise auch unsere Einsicht in gelungene Handlungskontrolle. Deswegen untersucht das vorliegenden Kapitel, ob bzw. wie man Handlungsfehler überwacht und erkennt (→ Abschn. 9.2), wie man sie vermeidet (→ Abschn. 9.3) und aus ihnen lernt (→ Abschn. 9.4).